Das Kultbuch von Timothy Ferriss: “Die 4-Stunden Woche”

Die Testergebnisse in KĂĽrze:

Pro:

Inspirierend, interessant zu lesen

Kontra:

Letztendlich nicht umsetzbar, weil absolut unrealistisch

Unser Testurteil

4.6 (Mangelhaft)

Kauf empfohlen?

Jetzt bei Amazon kaufen

Nur vier Stunden arbeiten: Kann das funktionieren?

In seinem Buch „Die 4-Stunden Woche“ verspricht Timothy Ferriss einen ganz neuen Lebensstil. Und anders als viele andere Produkte zu dem Thema gibt er einem tatsächlich eine Lösung in die Hand, wie man das schaffen kann, wovon alle träumen: Weniger zu arbeiten und dabei viel mehr Geld zu verdienen.

Doch wer ist Timothy Ferriss eigentlich?

Er ist ein Amerikaner in seinen 30ern, der sich als Unternehmer, Weltenbummler und Autor sieht. Zuvor hat er an der Princeton University studiert und 2001 sein eigenes Unternehmen gegrĂĽndet. Darin hat er so viel Arbeit investiert, dass er 2004 ein Burnout bekam und sein Leben einmal komplett ĂĽberdacht hat.
Arbeiten bis zum Umfallen arbeiten? Erst im Rentenalter etwas Freizeit genießen? Das kann doch nicht das Ziel sein! Er nahm sich eine 15-monatige Auszeit und reiste um die Welt. Dabei bemerkte er mit großem Erstaunen, dass sein Unternehmen trotzdem keine Einbrüche verzeichnete. Obwohl er nur wenige Stunden die Woche investierte und jegliche Aufgaben an andere übertrug, wuchsen seine Umsätze weiter an.
Und erinnern wir uns: 2004 haben iPhones und Surfsticks noch keinen Einzug in unserem Alltag gehalten. Unterwegs musste man sich größtenteils mit normalen Anrufen und Internetcafés behelfen.
Es ist das perfekte Klischee: Man liegt am Strand in der Karibik, um einen herum tänzeln attraktive Frauen in knappen Bikinis und man selbst regelt mit ein oder zwei Geschäftsanrufen alles, was wichtig ist, um ein Unternehmen mit Millionenumsätze zu führen.

Voller Euphorie musste Timothy Ferriss seine Erkenntnisse natürlich auch festhalten und anschließend mit der Welt teilen. Herausgekommen ist eben diese „4-Stunden-Woche“, die heute als Bibel für Internetmarketer auf der ganzen Welt gilt.

Worum geht’s?

Auf 341 Seiten erläutert er sein 4-Stufen-Programm, dass er DEAL nennt. Dabei stehen die Buchstaben für folgendes:

1)    Definition: Wie will man leben, wie will man sein und was muss man anders machen?
2)    Eliminieren: Wie kann man effektiver arbeiten und mehr Zeit gewinnen?
3)    Automation: Wie automatisiert man alles, indem andere für einen arbeiten?
4)    Liberation/Befreiung: Was stellt man mit seinem Leben und der neu gewonnenen Freiheit an?

Und das soll funktionieren?

Auch wenn er mit Leidenschaft schreibt und dadurch, dass er viel von seinem eigenen Werdegang erzählt, sehr inspirierend wirkt, stellt sich unterm Strich natürlich die Frage, wie realistisch das ist, was er da vorschlägt? Und noch viel wichtiger: Wer kann seine Anleitungen tatsächlich umsetzen?

Er selbst meint zwar, es wäre egal, ob man Angestellter oder Selbstständiger ist und dass jeder mehr Freiheit und mehr Zeit gewinnen kann, aber das ist natürlich Unsinn. Denn es soll auch noch Menschen geben, die tatsächlich ihre eigenen Hände nutzen und körperlich arbeiten müssen, oder deren ganz persönliches Köpfchen gefordert ist. Um nur mal ein paar Wenige zu nennen – was ist mit: Friseurinnen, Erzieherinnen, Lehrerinnen, Rechtsanwälten, Verkäuferinnen, Call-Center Agenten, Bademeistern, Wachleuten, Physiotherapeutinnen, Krankenschwestern, Ärzten, Zoomitarbeitern, Zahntechnikerinnen, Elektrikern, Dachdeckern, usw.?
Was würde mit Deutschland passieren, wenn die Supermärkte leer wären, im Krankenhaus das Chaos ausbricht, man unter 11880 niemanden mehr erreicht und Amazon pleite gehen würde, weil niemand mehr die Pakete zustellt?

Im gesamten Dienstleistungssektor gibt es Menschen, die einfach rund um die Uhr gefordert werden, damit unser modernes Zusammenleben funktioniert.
Die einzigen, die tatsächlich die Möglichkeit haben, sich zurückzuziehen und um die Welt zu reisen, das sind diejenigen, die im Bereich Büro, Organisation und Co. arbeiten oder Selbstständige, die in der Lage sind, ihre Aufgaben an andere zu übertragen. Eben alle, die delegieren können.
Wozu würde das führen? Zu einer 2-Klassen-Gesellschaft, genau. Denn dann gäbe es die, die sich wenige Stunden Zeit nehmen, um Arbeiten zu überprüfen und neue Anweisungen geben und diejenigen, die rund um die Uhr ackern, damit andere die Beine hochhalten können.
Sehr erstrebenswert!

Virtuelle Assistenten?

Aber auch für die Privilegierten aller Berufstätigen dürfte es schwierig sein, Ferriss’ Modell zu befolgen. Denn das verlangt größtenteils, dass man so gut wie alle Aufgaben in die Hand von virtuellen Assistenten gibt, die in Indien sitzen und deswegen zu menschenverachtenden Dumpingpreisen arbeiten können.
Das mag für viele US-Amerikaner funktionieren. Aber wie viele Inder sprechen schon Deutsch? Deutschsprachige Services aus Dritte-Welt-Länder befinden sich noch in Ihren Startschuhen und sind dementsprechend ständig ausgebucht.
Und wĂĽrde man virtuelle Assistenten aus dem deutsprachigen Raum einstellen, hat man weder den Vorteil durch Zeitverschiebung (dass also ĂĽber Nacht gearbeitet wird), noch die Geldersparnis. In Deutschland kann man nicht billig arbeiten; das erlaubt der Lebensstandard nicht. Gibt es doch Leute, die es tun, dann darf man sich zurrecht fragen, wo genau jetzt der Haken ist.

Letztlich empfiehlt Timothy Ferriss nichts anderes, als ein Produkt super gĂĽnstig in Asien produzieren zu lassen, es dann Online zu verkaufen und alle Schritte ringsherum zu automatisieren.
Das klingt einfach, ein dauerhafter Erfolg dĂĽrfte aber einem Sechser im Lotto gleichkommen.
Überspringen wir einfach den Schritt, in welchem wir uns fragen, wie viele Menschen tatsächlich bereit sind, ein unternehmerisches Risiko zu tragen und Investitionen zu tätigen und fragen wir uns stattdessen, wie langfristig der Erfolg, sollte er überhaupt eintreten, dann auch sein kann. Ist es nicht vielmehr so, dass der Markt irgendwann gesättigt ist?
Über kurz oder lang wird die Lüge vom tollen Diätpülverchen aufgedeckt werden. Oder aber – sollte das Pulver tatsächlich einen Effekt haben – man wird von rund 30.000 Konkurrenten und einem erbitterten Preiskampf verdrängt.
Ein Produkt dauerhaft zum Verkaufsschlager zu machen und Alleinstellungsmerkmale zu finden, das ist harte Arbeit, die mit Werbekampagnen, viel kreativer Energie und ständigen Weiterentwicklungen einhergeht.
Arbeitet man stattdessen nur vier Stunden, dann fallen die Zahlen über kurz oder lang, und der Traum des Unternehmers ist ausgeträumt. Was tut man dann?

Timothy Ferriss hat für sich eine perfekte Lösung gefunden: Nachdem er die Schwachstellen seines Modells aufgedeckt hat und es für ihn unbrauchbar wurde, hat er es einfach verschriftlicht, verglorifiziert und anschließend weltweit verkauft.
Seither macht er seine Millionen mit Infoprodukten, die am Ende nur eines sind: eine schöne Illusion.

Eine weitere Rezension ĂĽber Timothy Ferriss: “Die 4-Stunden Woche” findet ihr auch im WL BĂĽcher Blog.

Im Übrigen: Das nächste Buch des Angebers Kultautors wird „A Guide to Becoming Superhuman“ (Quelle: http://www.fourhourworkweek.com/blog/2009/06/22/the-next-book-from-rapid-fat-loss-to-strongmen-a-guide-to-becoming-superhuman/ ) heißen.
Na dann….

Ein Gedanke zu „Das Kultbuch von Timothy Ferriss: “Die 4-Stunden Woche”

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wichtig: Bitte keine Links einfügen, da der Kommentar sonst automatisch gelöscht wird.

*